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Jedes Land ist hoch verschuldet, also wer sind die Gläubiger?

Jedes Land ist hoch verschuldet, also wer sind die Gläubiger?

BlockBeatsBlockBeats2025/12/02 20:14
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Von:BlockBeats

Wenn die Staatsschulden in verschiedenen Ländern steigen, sind die Kreditgeber keine externen Kräfte, sondern jeder einzelne gewöhnliche Mensch, der durch Ersparnisse, Renten und das Bankensystem daran beteiligt ist.

Originaltitel: „Jedes Land ist hoch verschuldet – wer sind dann die Gläubiger? Ex-Griechenland-Finanzminister: Es sind ‚wir alle‘“
Originalautor: Zhang Yaqi, Wallstreet Insights


Derzeit stecken alle großen Länder der Erde tief in der Schuldenfalle, was die Jahrhundertfrage aufwirft: „Wenn jeder verschuldet ist, wer verleiht dann das Geld?“ Kürzlich analysierte der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis in einem Podcast dieses komplexe und fragile globale Schuldensystem und warnte davor, dass dieses System vor einem beispiellosen Zusammenbruch stehe.


Yanis Varoufakis erklärte, die Kreditgeber von Staatsschulden seien keineswegs Außenstehende, sondern ein in sich geschlossenes System innerhalb des Landes. Am Beispiel der USA ist der größte Gläubiger der Regierung die Federal Reserve und interne staatliche Treuhandfonds wie die Sozialversicherung. Das tiefere Geheimnis ist, dass gewöhnliche Bürger durch ihre Renten und Ersparnisse große Mengen an Staatsanleihen halten und so zu den größten Kreditgebern werden.


Für Länder wie Japan ist der Kauf von US-Staatsanleihen ein Instrument zur Wiederverwendung von Handelsüberschüssen und zur Stabilisierung der eigenen Währung. In wohlhabenden Ländern sind Staatsanleihen tatsächlich das sicherste Asset, um das sich Gläubiger reißen.


Yanis Varoufakis warnt, dass dieses System bei einem Vertrauensverlust in eine Krise stürzen wird, wofür es historische Präzedenzfälle gibt. Obwohl die traditionelle Sichtweise davon ausgeht, dass große Volkswirtschaften nicht zahlungsunfähig werden, akkumulieren sich Risiken wie hohe globale Verschuldung, hohe Zinsen, politische Polarisierung und Klimawandel, was zu einem Vertrauensverlust ins System und damit zu einer Katastrophe führen könnte.


Yanis Varoufakis fasste das Rätsel „Wer ist der Gläubiger?“ zusammen: Die Antwort ist: Wir alle. Durch Rentenfonds, Banken, Zentralbanken und Handelsüberschüsse verleihen die Länder kollektiv gegenseitig Geld und bilden so ein riesiges, miteinander verbundenes globales Schuldennetzwerk. Dieses System bringt Wohlstand und Stabilität, ist aber aufgrund des beispiellosen Schuldenniveaus extrem instabil.


Die Frage ist nicht, ob es unbegrenzt weitergehen kann, sondern ob die Anpassung schrittweise oder plötzlich in Form einer Krise erfolgt. Er warnt, dass der Spielraum für Fehler immer kleiner wird. Niemand kann die Zukunft vorhersagen, aber strukturelle Probleme wie die unverhältnismäßigen Vorteile für Reiche und hohe Zinszahlungen armer Länder können nicht ewig andauern, und niemand kontrolliert wirklich dieses komplexe System mit eigener Logik.


Jedes Land ist hoch verschuldet, also wer sind die Gläubiger? image 0


Zusammenfassung der Podcast-Highlights:


· In wohlhabenden Ländern sind die Bürger sowohl Schuldner (sie profitieren von den Staatsausgaben) als auch Gläubiger, da ihre Ersparnisse, Renten und Versicherungen in Staatsanleihen investiert werden.


· Die US-Staatsverschuldung ist keine Last, die unwilligen Gläubigern aufgebürdet wird, sondern ein Asset, das sie besitzen wollen.


· Die USA werden im Haushaltsjahr 2025 voraussichtlich 1 Billion US-Dollar an Zinsen zahlen.


· Das ist eine der großen Ironien der modernen Geldpolitik: Wir schaffen Geld, um die Wirtschaft zu retten, aber dieses Geld kommt unverhältnismäßig den ohnehin schon Reichen zugute. Das System funktioniert, verschärft aber die Ungleichheit.


· Paradoxerweise braucht die Welt Staatsschulden.


· In der Geschichte brechen Krisen oft aus, wenn das Vertrauen schwindet – wenn die Kreditgeber plötzlich beschließen, den Schuldnern nicht mehr zu vertrauen, entsteht eine Krise.


· Jedes Land hat Schulden – wer sind also die Gläubiger? Die Antwort ist: Wir alle. Durch unsere Rentenfonds, Banken, Versicherungen und Sparkonten, durch die Zentralbanken unserer Regierungen, durch mit Handelsüberschüssen geschaffene und zum Anleihekauf genutzte Währungen verleihen wir uns kollektiv selbst Geld.


· Die Frage ist nicht, ob dieses System unbegrenzt weiterbestehen kann – das kann es nicht, nichts in der Geschichte dauert ewig. Die Frage ist, wie es sich anpassen wird.


Nachfolgend das Podcast-Transkript:


Globale Schuldenlast: Der „mysteriöse“ Kreditgeber sind wir selbst


Yanis Varoufakis:


Ich möchte mit dir über etwas sprechen, das wie ein Rätsel oder wie Magie klingt. Jedes große Land der Erde steckt tief in der Schuldenfalle. Die USA haben 38 Billionen US-Dollar Schulden, Japans Schulden entsprechen 230 % seiner gesamten Wirtschaftsleistung. Großbritannien, Frankreich, Deutschland – alle sind tief im Defizit. Und doch funktioniert die Welt weiterhin, Geld fließt, Märkte funktionieren.


Das ist das Rätsel, das einen nachts wach hält: Wenn jeder verschuldet ist, wer verleiht dann das Geld? Woher kommt all das Geld? Wenn du dir bei einer Bank Geld leihst, besitzt die Bank das Geld – eine völlig logische Frage. Es stammt von irgendwoher: von Sparern, Investoren, Bankkapital, Geldpools und Kreditnehmern. Ganz einfach. Aber wenn wir das auf die Ebene von Staaten heben, wird es sehr seltsam – diese Rechnung ergibt keinen intuitiven Sinn mehr. Lass mich erklären, was tatsächlich passiert, denn die Antwort ist viel interessanter, als die meisten Menschen denken. Ich muss dich warnen: Sobald du verstehst, wie dieses System wirklich funktioniert, wirst du Geld nie wieder auf dieselbe Weise betrachten.


Fangen wir mit den USA an, weil sie der am einfachsten zu untersuchende Fall sind. Bis zum 2. Oktober 2025 wird die US-Bundesschuld 38 Billionen US-Dollar erreichen. Das ist kein Tippfehler – 38 Billionen. Um dir ein besseres Gefühl zu geben: Wenn du jeden Tag 1 Million US-Dollar ausgeben würdest, bräuchtest du über 100.000 Jahre, um so viel Geld auszugeben.


Wer hält diese Schulden? Wer sind diese mysteriösen Kreditgeber? Die erste Antwort wird dich vielleicht überraschen: Die Amerikaner selbst. Der größte Einzelhalter der US-Staatsverschuldung ist tatsächlich die US-Zentralbank – die Federal Reserve. Sie hält etwa 6,7 Billionen US-Dollar an US-Staatsanleihen. Denk mal kurz darüber nach: Die US-Regierung schuldet der US-Regierungsbank Geld. Aber das ist nur der Anfang.


Weitere 7 Billionen US-Dollar existieren in dem, was wir „interne staatliche Bestände“ nennen – das ist Geld, das die Regierung sich selbst schuldet. Der Social Security Trust Fund hält 2,8 Billionen US-Dollar an US-Staatsanleihen, der Militärpensionsfonds 1,6 Billionen US-Dollar, Medicare ebenfalls einen großen Anteil. Die Regierung leiht sich also Geld vom Sozialversicherungsfonds, um andere Projekte zu finanzieren, und verspricht, es später zurückzuzahlen. Das ist, als würde man Geld aus der linken Tasche nehmen, um Schulden in der rechten Tasche zu begleichen. Bis jetzt schuldet Amerika sich selbst etwa 13 Billionen US-Dollar – das ist bereits mehr als ein Drittel der Gesamtschulden.


Die Frage „Wer ist der Kreditgeber?“ wird seltsam, nicht wahr? Aber machen wir weiter. Die nächste wichtige Kategorie sind private inländische Investoren, also ganz normale Amerikaner, die über verschiedene Kanäle beteiligt sind. Investmentfonds halten etwa 3,7 Billionen US-Dollar, Bundesstaaten und Kommunen besitzen 1,7 Billionen US-Dollar, dazu kommen Banken, Versicherungen, Pensionsfonds usw. Insgesamt halten private US-Investoren etwa 24 Billionen US-Dollar an US-Staatsanleihen.


Jetzt wird es wirklich interessant. Diese Pensionsfonds und Investmentfonds werden mit dem Geld von US-Arbeitnehmern, Rentenkonten und gewöhnlichen Sparern gespeist. In einem sehr realen Sinne leiht sich die US-Regierung also Geld von ihren eigenen Bürgern.


Lass mich dir ein Beispiel geben, wie das in der Praxis funktioniert. Stell dir eine Lehrerin aus Kalifornien vor, 55 Jahre alt, seit 30 Jahren im Dienst. Jeden Monat wird ein Teil ihres Gehalts in ihren Pensionsfonds eingezahlt. Dieser Fonds muss das Geld sicher anlegen, um eine verlässliche Rendite zu erzielen, damit sie ihren Ruhestand genießen kann. Was könnte sicherer sein, als der US-Regierung Geld zu leihen? Also kauft ihr Pensionsfonds Staatsanleihen. Die Lehrerin macht sich vielleicht Sorgen um die Staatsschulden. Sie sieht die beängstigenden Zahlen in den Nachrichten – verständlich. Aber hier kommt die Wendung: Sie ist eine der Kreditgeberinnen. Ihre Rente hängt davon ab, dass die Regierung weiterhin Schulden macht und Zinsen auf diese Anleihen zahlt. Wenn die USA morgen plötzlich alle Schulden zurückzahlen würden, würde ihr Pensionsfonds eine der sichersten und verlässlichsten Anlagen verlieren.


Das ist das erste große Geheimnis der Staatsschulden. In wohlhabenden Ländern sind die Bürger sowohl Schuldner (sie profitieren von den Staatsausgaben) als auch Gläubiger, da ihre Ersparnisse, Renten und Versicherungen in Staatsanleihen investiert werden.


Kommen wir nun zur nächsten Kategorie: ausländische Investoren. Das ist das, was die meisten Menschen im Kopf haben, wenn sie sich vorstellen, wer US-Schulden hält. Japan besitzt 1,13 Billionen US-Dollar, Großbritannien 723 Milliarden US-Dollar. Ausländische Investoren – Regierungen und private Akteure – halten insgesamt etwa 8,5 Billionen US-Dollar an US-Staatsanleihen, etwa 30 % des öffentlich gehaltenen Anteils.


Das Interessante an ausländischen Beständen ist: Warum kaufen andere Länder US-Staatsanleihen? Nehmen wir Japan als Beispiel. Japan ist die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Sie exportieren Autos, Elektronik und Maschinen in die USA, Amerikaner kaufen diese Waren mit US-Dollar, japanische Unternehmen verdienen dadurch viele Dollar. Was nun? Diese Unternehmen müssen die Dollar in Yen umtauschen, um ihre Mitarbeiter und Lieferanten im Inland zu bezahlen. Wenn sie alle gleichzeitig Dollar umtauschen, steigt der Yen stark an, was japanische Exporte verteuert und die Wettbewerbsfähigkeit mindert.


Was macht Japan also? Die japanische Zentralbank kauft diese Dollar und investiert sie in US-Staatsanleihen. Das ist eine Möglichkeit, Handelsüberschüsse zu recyceln. Man kann es so sehen: Die USA kaufen von Japan physische Güter wie Sony-Fernseher und Toyota-Autos; Japan nutzt die Dollar, um US-Finanzanlagen zu kaufen – US-Staatsanleihen. Das Geld zirkuliert, und die Schulden sind nur die buchhalterische Aufzeichnung dieses Kreislaufs.


Das führt zu einem entscheidenden Punkt für den Großteil der Welt: Die US-Staatsverschuldung ist keine Last, die unwilligen Gläubigern aufgebürdet wird, sondern ein Asset, das sie besitzen wollen. US-Staatsanleihen gelten als das sicherste Finanzasset der Welt. Wenn Unsicherheit aufkommt – Krieg, Pandemie, Finanzkrise – fließt Geld in US-Staatsanleihen. Das nennt man „Safe Haven“.


Bisher habe ich mich auf die USA konzentriert. Was ist mit dem Rest der Welt? Denn das ist ein globales Phänomen. Die weltweiten öffentlichen Schulden betragen derzeit 111 Billionen US-Dollar, das sind 95 % des weltweiten Bruttoinlandsprodukts. Innerhalb eines Jahres stiegen die Schulden um 8 Billionen US-Dollar. Japan ist vielleicht das extremste Beispiel. Die Staatsschulden Japans betragen 230 % des BIP. Würde man Japan mit einer Privatperson vergleichen, wäre das so, als würde jemand jährlich 50.000 Pfund verdienen, aber 115.000 Pfund Schulden haben – das wäre eigentlich bankrott. Und doch funktioniert Japan weiterhin. Die Zinsen auf japanische Staatsanleihen liegen nahe null, manchmal sogar im negativen Bereich. Warum? Weil die japanischen Schulden fast vollständig im Inland gehalten werden. Japans Banken, Pensionsfonds, Versicherungen und Haushalte halten 90 % der japanischen Staatsschulden.


Hier spielt Psychologie eine Rolle. Die Japaner sind für ihre hohe Sparquote bekannt, sie sparen fleißig. Diese Ersparnisse werden in Staatsanleihen investiert, weil sie als sicherste Form der Vermögensaufbewahrung gelten. Die Regierung verwendet das geliehene Geld für Schulen, Krankenhäuser, Infrastruktur und Renten – und kommt so den sparenden Bürgern zugute. Es entsteht ein geschlossener Kreislauf.


Funktionsweise und Ungleichheit: QE, Billionen-Zinsen und die globale Schuldenkrise


Kommen wir nun zur Funktionsweise: Quantitative Easing (QE).


Quantitative Easing bedeutet in der Praxis: Die Zentralbank erschafft Geld aus dem Nichts, indem sie Zahlen in den Computer tippt, und kauft damit Staatsanleihen. Federal Reserve, Bank of England, Europäische Zentralbank, Bank of Japan – sie müssen kein Geld von anderswo beschaffen, um ihren Regierungen Kredite zu geben, sondern schaffen es, indem sie die Zahlen auf den Konten erhöhen. Dieses Geld existierte vorher nicht, jetzt existiert es. Während der Finanzkrise 2008/2009 schuf die Federal Reserve auf diese Weise etwa 3,5 Billionen US-Dollar. Während der Corona-Pandemie schufen sie erneut riesige Summen.


Bevor du denkst, das sei ein ausgeklügelter Betrug, lass mich erklären, warum Zentralbanken das tun und wie es funktionieren soll. In Krisenzeiten wie Finanzkrisen oder Pandemien kommt die Wirtschaft zum Stillstand. Die Menschen hören aus Angst auf zu konsumieren, Unternehmen investieren nicht mehr, Banken vergeben aus Angst vor Zahlungsausfällen keine Kredite mehr – ein Teufelskreis. Weniger Ausgaben bedeuten weniger Einkommen, weniger Einkommen führt zu noch weniger Ausgaben. Dann muss die Regierung eingreifen: Krankenhäuser bauen, Schecks verteilen, Banken retten – alles Notfallmaßnahmen. Dafür muss sie sich massiv verschulden. In solchen Zeiten gibt es möglicherweise nicht genug Menschen, die bereit sind, zu vernünftigen Zinsen zu verleihen. Dann greift die Zentralbank ein, schafft Geld und kauft Staatsanleihen, um die Zinsen niedrig zu halten und sicherzustellen, dass die Regierung das benötigte Geld bekommt.


Theoretisch fließt dieses neu geschaffene Geld in die Wirtschaft, fördert Kredite und Konsum und hilft, die Rezession zu beenden. Sobald sich die Wirtschaft erholt, kann die Zentralbank den Prozess umkehren, die Anleihen zurück an den Markt verkaufen und das Geld wieder einziehen, sodass alles wieder normal wird.


Die Realität ist jedoch komplizierter. Die erste Runde der quantitativen Lockerung nach der Finanzkrise schien zu funktionieren – sie verhinderte einen vollständigen Systemzusammenbruch. Gleichzeitig stiegen die Preise für Vermögenswerte wie Aktien und Immobilien stark an. Das liegt daran, dass das neu geschaffene Geld letztlich bei Banken und Finanzinstituten landet. Sie verleihen es nicht unbedingt an kleine Unternehmen oder Hauskäufer, sondern kaufen damit Aktien, Anleihen und Immobilien. Diejenigen, die die meisten Finanzanlagen besitzen, werden dadurch noch reicher.


Eine Studie der Bank of England schätzt, dass QE die Preise für Aktien und Anleihen um etwa 20 % steigen ließ. Die reichsten 5 % der britischen Haushalte steigerten dadurch ihr Vermögen im Schnitt um 128.000 Pfund, während Haushalte ohne nennenswerte Finanzanlagen kaum profitierten. Das ist eine der großen Ironien der modernen Geldpolitik: Wir schaffen Geld, um die Wirtschaft zu retten, aber dieses Geld kommt unverhältnismäßig den ohnehin schon Reichen zugute. Das System funktioniert, verschärft aber die Ungleichheit.


Kommen wir nun zu den Kosten all dieser Schulden, denn sie sind nicht kostenlos – sie bringen Zinsen mit sich. Die USA werden im Haushaltsjahr 2025 voraussichtlich 1 Billion US-Dollar an Zinsen zahlen. Richtig, allein die Zinszahlungen betragen 1 Billion US-Dollar – mehr als die gesamten Militärausgaben des Landes. Es ist der zweitgrößte Posten im Bundeshaushalt nach der Sozialversicherung, und diese Zahl steigt rasant. Die Zinszahlungen haben sich in drei Jahren fast verdoppelt – von 497 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022 auf 909 Milliarden US-Dollar im Jahr 2024. Bis 2035 werden die Zinszahlungen voraussichtlich 1,8 Billionen US-Dollar pro Jahr erreichen. In den nächsten zehn Jahren wird die US-Regierung allein für Zinsen 13,8 Billionen US-Dollar ausgeben – dieses Geld fließt nicht in Schulen, Straßen, Gesundheitswesen oder Verteidigung, sondern nur in Zinsen.


Überlege, was das bedeutet: Jeder Dollar, der für Zinsen ausgegeben wird, steht nicht für andere Zwecke zur Verfügung. Er wird nicht für Infrastruktur, Forschung oder Armutsbekämpfung verwendet, sondern geht direkt an die Anleihegläubiger. Das ist die aktuelle Mathematik: Mit steigender Verschuldung steigen die Zinszahlungen; mit steigenden Zinszahlungen steigen die Defizite; mit steigenden Defiziten braucht es mehr Kredite. Ein Rückkopplungseffekt. Das Congressional Budget Office schätzt, dass die Zinskosten bis 2034 etwa 4 % des US-BIP und 22 % der gesamten Bundessteuereinnahmen verschlingen werden – mehr als ein Dollar von fünf Steuereinnahmen wird rein für Zinsen ausgegeben.


Doch die USA sind nicht das einzige Land in dieser Lage. Im Club der reichen Länder, der OECD, machen die Zinszahlungen im Schnitt 3,3 % des BIP aus – mehr als die gesamten Verteidigungsausgaben dieser Regierungen. Weltweit leben über 3,4 Milliarden Menschen in Ländern, in denen die Zinszahlungen der Regierung die Ausgaben für Bildung oder Gesundheitswesen übersteigen. In manchen Ländern zahlen die Regierungen mehr an Anleihegläubiger als für die Ausbildung von Kindern oder die Behandlung von Kranken.


Für Entwicklungsländer ist die Lage noch ernster. Arme Länder zahlten einen Rekordwert von 96 Milliarden US-Dollar an Auslandsschulden zurück. 2023 beliefen sich ihre Zinskosten auf 34,6 Milliarden US-Dollar – viermal so viel wie vor zehn Jahren. In einigen Ländern machen die Zinszahlungen 38 % der Exporterlöse aus. Dieses Geld könnte für die Modernisierung des Militärs, Infrastruktur oder Bildung verwendet werden, fließt aber als Zinsen an ausländische Gläubiger. 61 Entwicklungsländer geben derzeit 10 % oder mehr ihrer Staatseinnahmen für Zinsen aus, viele sind in Schwierigkeiten – sie zahlen mehr für die Bedienung bestehender Schulden als sie durch neue Kredite einnehmen. Das ist wie Ertrinken: Man zahlt die Hypothek ab und sieht zu, wie das eigene Haus im Meer versinkt.


Warum erklären Länder dann nicht einfach den Zahlungsausfall und weigern sich, Schulden zu bedienen? Natürlich kommt es zu Zahlungsausfällen. Argentinien war in seiner Geschichte neunmal zahlungsunfähig, Russland 1998, Griechenland stand 2010 kurz davor. Aber die Folgen sind katastrophal: Ausschluss vom globalen Kreditmarkt, Währungszusammenbruch, unerschwingliche Importe, Rentner verlieren ihre Ersparnisse. Keine Regierung entscheidet sich freiwillig für den Zahlungsausfall – nur, wenn es keine andere Wahl gibt.


Für die wichtigsten Volkswirtschaften wie die USA, Großbritannien, Japan oder die großen europäischen Länder ist ein Zahlungsausfall undenkbar. Diese Länder verschulden sich in ihrer eigenen Währung und können immer mehr Geld drucken, um zu zahlen. Das Problem ist nicht die Zahlungsfähigkeit, sondern die Inflation – zu viel Gelddrucken entwertet die Währung, was wiederum eine Katastrophe ist.


Die vier Säulen des globalen Schulden-Systems und das Risiko des Zusammenbruchs


Das führt zu einer Frage: Was hält dieses System eigentlich am Laufen?


Erstens: Demografie und Sparen. In wohlhabenden Ländern altert die Bevölkerung, die Menschen leben länger und brauchen sichere Orte, um ihr Ruhestandskapital zu lagern. Staatsanleihen erfüllen genau diesen Zweck. Solange Menschen sichere Anlagen brauchen, wird es Nachfrage nach Staatsschulden geben.


Zweitens: Die Struktur der Weltwirtschaft. Wir leben in einer Welt mit großen Handelsungleichgewichten. Einige Länder haben riesige Überschüsse, andere große Defizite. Die Überschussländer akkumulieren Finanzforderungen gegenüber den Defizitländern, meist in Form von Staatsanleihen. Solange diese Ungleichgewichte bestehen, werden auch die Schulden bestehen.


Drittens: Die Geldpolitik selbst. Zentralbanken nutzen Staatsanleihen als geldpolitisches Instrument – sie kaufen Anleihen, um Geld in die Wirtschaft zu pumpen, und verkaufen sie, um Geld abzuziehen. Staatsschulden sind das Schmiermittel der Geldpolitik, Zentralbanken brauchen große Mengen davon, um zu funktionieren.


Viertens: In modernen Volkswirtschaften sind sichere Anlagen gerade deshalb wertvoll, weil sie knapp sind. In einer risikoreichen Welt hat Sicherheit einen Preis. Staatsanleihen stabiler Länder bieten diese Sicherheit. Wenn Regierungen tatsächlich alle Schulden zurückzahlen würden, gäbe es einen Mangel an sicheren Anlagen. Pensionsfonds, Versicherungen, Banken suchen verzweifelt nach sicheren Investments. Paradoxerweise braucht die Welt Staatsschulden.


Doch eines raubt mir den Schlaf und sollte uns alle beunruhigen: Dieses System ist stabil – bis es zusammenbricht. In der Geschichte brechen Krisen oft aus, wenn das Vertrauen schwindet – wenn die Kreditgeber plötzlich beschließen, den Schuldnern nicht mehr zu vertrauen, entsteht eine Krise. 2010 geschah das in Griechenland. Während der Asienkrise 1997 und in vielen lateinamerikanischen Ländern der 1980er Jahre war es ähnlich. Das Muster ist immer gleich: Jahrelang scheint alles normal, dann löst ein Ereignis oder Vertrauensverlust Panik aus, Investoren verlangen höhere Zinsen, Regierungen können nicht mehr zahlen, die Krise bricht aus.


Könnte das in einer großen Volkswirtschaft passieren? In den USA oder Japan? Die traditionelle Ansicht sagt nein, weil diese Länder ihre eigene Währung kontrollieren, tiefe Finanzmärkte haben und global „too big to fail“ sind. Aber traditionelle Ansichten lagen schon oft falsch. 2007 sagten Experten, die Immobilienpreise würden landesweit nie fallen – sie fielen. 2010 hieß es, der Euro sei unerschütterlich – er stand kurz vor dem Zusammenbruch. 2019 ahnte niemand, dass eine Pandemie die Weltwirtschaft zwei Jahre lahmlegen würde.


Die Risiken nehmen zu. Die globale Verschuldung ist auf einem in Friedenszeiten nie dagewesenen Niveau. Nach Jahren mit fast null Zinsen sind die Zinsen stark gestiegen, was die Schuldendienstkosten erhöht. In vielen Ländern nimmt die politische Polarisierung zu, was eine kohärente Haushaltspolitik erschwert. Der Klimawandel erfordert riesige Investitionen, die trotz historisch hoher Schuldenstände finanziert werden müssen. Die alternde Bevölkerung bedeutet, dass weniger Erwerbstätige mehr Ältere unterstützen müssen – das belastet die Staatsfinanzen.


Am Ende steht die Vertrauensfrage. Das ganze System beruht auf dem Vertrauen, dass Regierungen ihre Zahlungsverpflichtungen erfüllen, Währungen ihren Wert behalten und die Inflation moderat bleibt. Wenn dieses Vertrauen zusammenbricht, kollabiert das ganze System.


Wer sind die Gläubiger? Wir alle


Kehren wir zur Ausgangsfrage zurück: Jedes Land hat Schulden – wer sind die Gläubiger? Die Antwort ist: Wir alle. Durch unsere Rentenfonds, Banken, Versicherungen und Sparkonten, durch die Zentralbanken unserer Regierungen, durch mit Handelsüberschüssen geschaffene und zum Anleihekauf genutzte Währungen verleihen wir uns kollektiv selbst Geld. Schulden sind Ansprüche eines Teils der Weltwirtschaft an einen anderen Teil – ein riesiges, miteinander verbundenes Netz von Verpflichtungen.


Dieses System hat enormen Wohlstand geschaffen, Infrastruktur, Forschung, Bildung und Gesundheitswesen finanziert; es ermöglicht Regierungen, in Krisen unabhängig von Steuereinnahmen zu handeln; es schafft Finanzanlagen, die den Ruhestand sichern und Stabilität bieten. Aber es ist auch extrem instabil, besonders bei einem Schuldenstand wie heute. Wir betreten Neuland: In Friedenszeiten haben Regierungen nie zuvor so viele Schulden gemacht, und die Zinszahlungen haben nie zuvor einen so großen Teil des Haushalts verschlungen.


Die Frage ist nicht, ob dieses System unbegrenzt weiterbestehen kann – das kann es nicht, nichts in der Geschichte dauert ewig. Die Frage ist, wie es sich anpassen wird. Wird die Anpassung schrittweise erfolgen? Werden Regierungen langsam die Defizite kontrollieren und das Wirtschaftswachstum das Schuldenwachstum übersteigen? Oder wird es plötzlich zu einer Krise kommen, die alle schmerzhaften Anpassungen auf einmal erzwingt?


Ich habe keine Kristallkugel – niemand hat eine. Aber ich kann dir sagen: Je länger es dauert, desto schmaler wird der Pfad zwischen diesen beiden Möglichkeiten, desto kleiner wird der Spielraum für Fehler. Wir haben ein globales Schulden-System geschaffen, in dem jeder jedem etwas schuldet, Zentralbanken Geld schaffen, um Staatsanleihen zu kaufen, und die Ausgaben von heute von den Steuerzahlern von morgen bezahlt werden. In so einem System profitieren die Reichen unverhältnismäßig von Maßnahmen, die eigentlich allen helfen sollen, während arme Länder hohe Zinsen an Gläubiger in reichen Ländern zahlen. Das kann nicht ewig so weitergehen – irgendwann müssen wir Entscheidungen treffen. Die einzige Frage ist: Was tun wir, wann tun wir es, und können wir den Übergang klug steuern oder lassen wir ihn außer Kontrolle geraten?


Wenn alle verschuldet sind, ist das Rätsel „Wer verleiht das Geld?“ eigentlich gar kein Rätsel, sondern ein Spiegel. Wenn wir fragen, wer die Kreditgeber sind, fragen wir eigentlich: Wer ist Teil des Systems? Wohin entwickelt sich das System? Wohin wird es uns führen? Und die beunruhigende Wahrheit ist: Niemand hat wirklich die Kontrolle. Das System folgt seiner eigenen Logik und Dynamik. Wir haben etwas Komplexes, Mächtiges und zugleich Fragiles geschaffen – und wir alle versuchen, es zu steuern.


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