Abgesehen vom Handel mit Meme-Coins, auf welche Projekte sollte man noch achten?
Umfassende Übersicht über das x402-Ökosystem: Protokolle, Infrastruktur und Anwendungen.
x402 mag derzeit in puncto Aufmerksamkeit Schwankungen unterliegen, doch für langfristig denkende Akteure hat es gerade erst die eigentliche Aufbauphase betreten.
Autor: Biteye Kernbeitragender Viee
Um x402 zu verstehen, muss man mit einer „Legacy-Funktion“ beginnen, die fast dreißig Jahre lang auf Eis lag.
Bereits 1997 reservierte das HTTP-Protokoll den Statuscode 402, der „Zahlung erforderlich“ bedeutet. Mangels praktikabler Zahlungsmethoden wurde dieser jedoch nie genutzt.
Heute sind kryptonative Stablecoins ausgereift, L2-Lösungen senken die Transaktionskosten und der Aufstieg von AI Agents schafft einen echten Bedarf an Mikrozahlungen. So hat Coinbase diesen „jahrelang verstaubten Knopf“ genutzt und das x402-Protokoll eingeführt: Jeder Mensch oder jede KI kann beim Zugriff auf kostenpflichtige Inhalte ohne Kontoerstellung und ohne Seitenwechsel direkt On-Chain bezahlen.
Hinter dem scheinbar einfachen „automatischen Bezahlen“ verbirgt sich ein ganzes Ökosystem, das gerade neu aufgebaut wird. Von Protokollstandards über Infrastruktur bis hin zu Anwendungen könnte x402 die Zahlungslogik des Internets neu gestalten.
Dieser Artikel taucht tief in das entstehende x402-Ökosystem ein und beleuchtet, welche Protokolle, Chains, Infrastrukturen und Anwendungen – abseits von Memes – tatsächlich funktionieren können.

1. Protokollschicht: AI Agents mit Zahlungsfähigkeit ausstatten
Die Protokollschicht von x402 ist kein einzelner Standard, sondern ein modulares Set, das drei zentrale Fragen löst: Wie kommunizieren AI Agents, wie bezahlen sie und wie bauen sie Identität und Vertrauen auf?
Im Zentrum steht das x402-Protokoll selbst, das auf dem HTTP-Statuscode 402 basiert. Es ermöglicht einer KI, beim Zugriff auf kostenpflichtige Inhalte oder APIs automatisch eine Zahlungsanfrage zu erhalten und mit Stablecoins wie USDC On-Chain zu bezahlen – ganz ohne Registrierung oder Seitenwechsel.
Um die Zusammenarbeit zwischen KIs zu ermöglichen, hat Google das A2A (Agent-to-Agent)-Protokoll vorgeschlagen, das die Kommunikation und Aufgabenübergabe zwischen Agents standardisiert. Auch Anthropic hat mit dem MCP-Protokoll Schnittstellen für Tools und Kontextdaten für KIs geschaffen. Darauf aufbauend hat Google das AP2-Zahlungsprotokoll veröffentlicht, das es AI Agents erlaubt, Dienste nach Bedarf zu nutzen und automatisch zu bezahlen – kompatibel mit traditionellen Zahlungen und x402.
Für die Umsetzung sind Erweiterungen wie EIP-3009 auf Ethereum entscheidend. Damit können Nutzer Token-Transfers per Signatur autorisieren, ohne Gas-Gebühren zahlen zu müssen – ein wichtiger Schritt, um das Problem „KI-Wallet ohne ETH“ zu lösen. Ergänzend dazu entsteht ERC-8004, das ein On-Chain-Identitäts- und Reputationssystem für AI Agents schafft, um Ausführungsprotokolle und Vertrauensbewertungen zu dokumentieren und Dienstleistern die Einschätzung der Zuverlässigkeit eines Agents zu erleichtern.
Zusammengefasst baut die x402-Protokollschicht schrittweise ein „Sprache + Währung + Vertrauen“-System für KIs auf, sodass AI Agents auch ohne menschliches Zutun Transaktionen, Zusammenarbeit und Zahlungen abwickeln können – der erste Schritt für ein funktionierendes Ökosystem.
2. Infrastrukturschicht: Zahlungsanfragen zum Laufen bringen
Das x402-Protokoll definiert die Lösung, aber erst die Infrastruktur macht sie funktionsfähig: Sie prüft Anfragen, wickelt Zahlungen ab, koordiniert Dienste und verbindet KI mit der Blockchain.
Erstens: Cloudflare. Als globales Cloud-Platform-Unternehmen hat es gemeinsam mit Coinbase die x402 Foundation gegründet und das Protokoll in seine CDN-Knoten und Entwickler-Tools integriert. Cloudflare bietet nicht nur ein globales Verteilnetzwerk, sondern unterstützt auch ein „Pay-after-Use“-Modell, das AI Agents einen reibungslosen Zugang zu Inhalten und die spätere Abrechnung ermöglicht.
Zweitens: x402 Facilitator, also Zahlungsaggregatoren (mehrere Projekte), die für AI Agents die komplette On-Chain-Prozesskette von „Zahlung, Abrechnung, Broadcasting“ übernehmen. Nutzer oder KI senden einfach eine HTTP-402-Anfrage, der Facilitator übernimmt Gas-Zahlung, Transaktionsbündelung und On-Chain-Broadcasting. Die Abrechnung erfolgt nach EIP-3009, sodass USDC per Einmal-Autorisierung abgebucht werden kann – ohne dass die KI selbst Token halten oder manuell signieren muss. Das vereinfacht On-Chain-Interaktionen erheblich.
Laut untenstehender Grafik ist Coinbase weiterhin der größte Facilitator mit über 1,35 Millionen Transaktionen und 80.000 Käufern; PayAI ist auf Solana und Base aktiv, mit einem Gesamtvolumen von 280.000 US-Dollar und mehr Nutzern als Coinbase. Andere wie X402rs, Thirdweb, Open X402 konkurrieren ebenfalls um Marktanteile.

Neben Facilitators gibt es auch „native Settlement Blockchains“ für x402. Ein Beispiel ist Kite AI, eine der ersten Layer1-Chains, die x402-Zahlungsprimitive vollständig integriert hat und von Coinbase Ventures, PayPal Ventures u.a. unterstützt wird. Sie übernimmt nicht die Zahlungsprüfung (kein Facilitator), sondern stellt die Ausführungs- und Abrechnungsumgebung für x402-Transaktionen bereit und ermöglicht Agents, Zahlungen per standardisierter Autorisierung automatisch zu initiieren, zu empfangen und abzustimmen.
Auf Ausführungsebene spielt neben der für KI-Zahlungen konzipierten nativen Chain Kite AI auch Peaq aus dem DePIN-Bereich eine wichtige Rolle. Peaq ist eine auf Maschinenökonomie spezialisierte Public Chain, die x402 nativ unterstützt und so Zahlungen und Abrechnungen zwischen Geräten und Agents automatisiert.
Im Bereich der x402-Kollaborationsschicht ist Questflow ein Vorzeigeprojekt: Entwickler können dort Agent-Aufgaben einstellen, Preise festlegen und direkt per x402 On-Chain abrechnen – bereits in Kooperation mit Virtuals, Gate u.a.
Weitere Anbieter wie AurraCloud und Meridian bieten Multi-Chain-Abrechnung und Verwahrdienste für das x402-Protokoll an.
Zusammengefasst konzentriert sich der Aufbau der x402-Infrastrukturschicht auf drei Kernfragen: Wie werden Anfragen gesendet, wie erfolgt die sichere Bezahlung und wie kann das System schnell auf verschiedenen Chains umgesetzt werden – das entscheidet, ob das Zahlungssystem wirklich funktioniert.
3. Anwendungsschicht: Welche Anwendungen nutzen x402 wirklich?
Protokoll und Infrastruktur von x402 stehen, aber die Anwendungsschicht ist noch kaum in Bewegung – bislang gibt es nur wenige Projekte mit echter Umsetzung.
- Daydreams: Baut eine LLM-Inferenzplattform mit x402-Zahlung auf.
- Heurist Deep Research: Web3-natives KI-Forschungsportal, Nutzer zahlen mit USDC pro Anfrage und erhalten automatisch mehrseitige Forschungsberichte.
- Gloria AI: Ermöglicht per x402 Pay-per-Use für Nachrichten.
- Snack Money API: Mikrozahlungs-API für X, Farcaster u.a., mit Fokus auf Identität und soziale Mikrozahlungen/Tipps.
- tip.md: Lässt AI-Assistenten direkt im Chat Krypto-Tipps für Nutzer abwickeln, USDC-Tipps laufen über MCP+x402 durch den kompletten Zahlungsprozess.
- Firecrawl: Web-Scraping- und Cleaning-API, wandelt Websites in LLM-fähige Daten um und rechnet pro Aufruf über x402 ab.
Insgesamt befindet sich die Anwendungsschicht von x402 noch in der Erprobungsphase, funktionale Plattformen stehen am Anfang, Skaleneffekte sind noch nicht sichtbar – es bleibt abzuwarten, wer als Erster ein wirklich nutzbares, bezahlbares und wiederverwendbares Produkt schafft.
4. Meme: Starke Preis- und Hype-Schwankungen
Mit dem Aufschwung des x402-Narrativs sind schnell eine Reihe nativer Meme-Projekte entstanden, die auf die Story aufspringen – allen voran PING, das auf der Base-Chain emittiert wurde und am ersten Tag eine Marktkapitalisierung von über 10 Millionen US-Dollar erreichte.
Neben PING sind auch Token wie „PENG“ und „x402“ in der Community aufgetaucht. Diese Meme-Tokens sind derzeit nicht Teil des Protokollkerns, sorgen aber für Aufmerksamkeit, Hype und frühe Liquidität.
5. Von Protokoll zu Umsetzung: Welche Probleme bestehen noch bei x402?
Obwohl das x402-Konzept Aufmerksamkeit erregt, gibt es noch viele praktische Hürden bis zur echten Umsetzung.
Erstens: Es fehlen wirklich nutzbare Produkte. Die meisten Projekte befinden sich noch im Testnet- oder Proof-of-Concept-Stadium, das Nutzererlebnis ist noch unausgereift.
Zweitens: Komplexer Tech-Stack, hohe Integrationskosten. x402 umfasst ein neues Protokoll, integriert Zahlung, Signatur-Transfers, Agent-Kommunikation und mehr – das stellt hohe Anforderungen an Entwickler.
Drittens: Compliance-Risiken. Das Prinzip „ohne Konto, ohne Weiterleitung zahlen“ ist zwar effizient, umgeht aber die KYC/AML-Anforderungen traditioneller Zahlungssysteme und könnte in manchen Regionen regulatorische Probleme verursachen.
Viertens: Es gibt noch keinen Netzwerkeffekt. Das Herz von Zahlungsprotokollen ist das Ökosystem, aber bislang gibt es nur wenige Services und Plattformen, die x402 integrieren – ein selbsttragendes Ökosystem ist noch nicht entstanden.
Zusammengefasst: x402 ist von einer „großflächigen Nutzung“ noch entfernt, es gibt noch mehrere Hürden von der Technik bis zur echten Umsetzung.
6. Beteiligungsmöglichkeiten
Aus Beteiligungssicht liegen die langfristigen Chancen von x402 vor allem im Aufbau von Infrastruktur und Schlüsselplattformen.
Erstens: Basis-Chains und Infrastruktur. x402 basiert auf EIP-3009, ERC-8004 und anderen Ethereum-Standards, wobei Base derzeit die wichtigste Chain für die Umsetzung ist – mit starkem Stablecoin-Ökosystem und entwicklerfreundlicher Umgebung, was die Entstehung von Top-Produkten begünstigt. Solana hat Vorteile bei Hochfrequenzzahlungen und eignet sich für Agent-Mikrotransaktionen.
Zweitens: Native Settlement-Blockchain Kite AI sowie Zahlungsaggregatoren und Serviceplattformen wie PayAI, Meridian, AurraCloud – sie prüfen Zahlungen, übernehmen Gas und binden APIs an. Sobald sie als universeller Zugang etabliert sind, steigt ihr Wert rasant.
Bei Tokens ist Vorsicht geboten. Die meisten x402-bezogenen Tokens sind klein und volatil, viele Meme-Coins sind noch rein narrativ getrieben. Projekte mit echter Zahlungs- oder Plattformnutzung sind deutlich interessanter.
7. KOL-Perspektiven
In einer Zeit divergierender Marktstimmen lohnt sich auch der Blick auf die Einschätzungen führender Builder und KOLs zum x402-Ökosystem.
Haotian betont, dass der aktuelle x402-Hype vor allem von Meme-Spekulationen getrieben wird, während das eigentliche „Hauptgericht“ – technische Umsetzung und Ökosystembildung – noch aussteht. Erst nach einer Marktauslese werden hochwertige Projekte sichtbar. Wer x402 nur als kurzfristigen Hype betrachtet, verkennt die Logik und das Tempo des gesamten Sektors.
Laobai weist aus historischer Sicht darauf hin, dass Mikropayments kein neues Konzept sind. Von Bitcoin und Lightning Network bis Nano, IOTA, BSV gab es im Kryptobereich zahlreiche Versuche, Kleinsttransaktionen zu etablieren – ohne Durchbruch. Der Unterschied bei x402: Zum ersten Mal gibt es mit AI Agents einen echten Bedarfsträger für Mikropayments – nicht den Menschen.
Danny hebt das größere Potenzial von x402 als Zahlungsinfrastruktur für die „Maschinenökonomie“ hervor. Von On-Chain-Kollaboration, API-Ökonomie bis zu KI-gesteuerter DAO-Governance – all diese M2M (Machine-to-Machine)-Transaktionen benötigen eine reibungslose, kontolose, automatisch ausführbare Zahlungsschicht.
Blue Fox Notes betrachtet aus Architektursicht den Facilitator als Schlüssel zur Zahlungsprüfung und -ausführung und damit als eines der zentralen Infrastrukturelemente des Sektors. PayAI, Coinbase, Pieverse u.a. haben bereits ein deutliches Wettbewerbsumfeld geschaffen.
Abschließend stellt Zhixiong Pan eine langfristige Frage: Können Agents wirklich „Token halten und bezahlen“? Dahinter stehen zentrale Mechanismen wie Private-Key-Verwahrung und Rechteverwaltung.
Zusammengefasst: x402 mag aktuell in puncto Aufmerksamkeit schwanken, doch für langfristig Denkende hat die eigentliche Aufbauphase gerade erst begonnen.
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