Forbes: Die finanzielle Zukunft der Wall Street – Kann Ethereum standhalten?

Originaltitel: The Race To Rewire Wall Street: Is Ethereum The Safest Bet?

Originalautor: Jón Helgi Egilsson, Forbes

Übersetzung: TechFlow

Ethereum Mitbegründer Vitalik Buterin, dessen Stiftung zusammen mit Electric Capital und Paradigm den 40 Millionen Dollar Start von Etherealize unterstützt – ein Startup mit nur einer Mission: die Neugestaltung von Wall Street auf Basis von Ethereum.

Jeden Tag verarbeitet das Finanzsystem der Wall Street Billionen von Dollar an Kapitalströmen – vieles davon läuft immer noch auf Systemen, die vor Jahrzehnten entwickelt wurden. Hypotheken- und Anleihegeschäfte können Tage zur Abwicklung benötigen. Intermediäre erhöhen die Kosten, binden Kapital und verstärken Risiken. Für die größten Banken und Vermögensverwalter der Welt kann die Wahl der falschen technischen Infrastruktur dazu führen, dass eine neue Generation von Ineffizienzen festgeschrieben wird. Blockchain-Technologie könnte dies ändern. Aber die Frage ist: Welche Blockchain ist die beste Wahl?

Kritiker argumentieren, dass Ethereum langsam und teuer ist, während Konkurrenten mit höherem Durchsatz werben. Außerdem bauen Fintech-Giganten sogar ihre eigenen Blockchains. Doch Danny Ryan, Mitbegründer und Präsident von Etherealize sowie einer der Hauptarchitekten der Ethereum-Entwicklung, leitete die historische Koordination des „Proof-of-Stake“-Merges. Er betont, dass Ethereums Sicherheit, Neutralität und kryptografische Privatsphäre es prädestinieren, die Last der globalen Finanzwelt zu tragen. Ja, Wall Street muss neu gestaltet werden – und Ryan ist überzeugt, dass Ethereum die einzige Blockchain ist, die dies leisten kann.

Ryan arbeitete fast zehn Jahre bei der Ethereum Foundation, eng mit Vitalik Buterin zusammen, und prägte das Protokoll an seinen wichtigsten Wendepunkten. Heute hat Etherealize 40 Millionen Dollar von Paradigm, Electric Capital und der Ethereum Foundation eingesammelt und wurde von der Ethereum Foundation initial gefördert. Ryan ist überzeugt, dass Ethereum bereit ist, den Wall-Street-Markt zu betreten.

Ryans Antwort – direkt, präzise, etwas überraschend – geht weit über den Krypto-Hype hinaus, aber er erläutert auch detailliert, warum Ethereum möglicherweise die sicherste Wahl für die Neugestaltung des Finanzsystems ist.

Danny Ryan, Mitbegründer und Präsident von Etherealize, ist der Ansicht, dass Ethereum die einzige Blockchain mit Sicherheit und Neutralität ist, die Wall Street neu gestalten kann.

Sicherheit ist eine knappe Ressource

Ich beginne mit einer offensichtlichen Frage: Angesichts der Überlastung und der hohen Gebühren von Ethereum – warum sollte Wall Street darauf vertrauen?

Ryan zögert nicht: „Krypto-ökonomische Sicherheit ist eine knappe Ressource.“ In Proof-of-Stake-Systemen müssen Validatoren Kapital hinterlegen, um Angriffe unerschwinglich zu machen. Heute hat Ethereum über eine Million Validatoren mit einem Gesamtwert von fast 100 Milliarden Dollar im Staking. „Das erreicht man nicht über Nacht“, fügt er hinzu.

Im Vergleich dazu können neuere Blockchains schnellere Netzwerke schaffen, verlassen sich aber meist auf eine kleine Zahl institutioneller Unterstützer. „Das sieht eher nach einem Konsortiumsmodell aus“, erklärt Ryan. „Man vertraut den beteiligten Unternehmen, Verträgen und rechtlichen Rückgriffsmöglichkeiten. Das ist eine andere Art von Sicherheit. Das unterscheidet sich von der Aufrechterhaltung eines neutralen globalen Netzwerks, das mit Dutzenden von Milliarden Dollar arbeitet.“

Daten bestätigen seine Aussage. Laut neuesten Untersuchungen von Etherealize sichert Ethereum über 70 % des Stablecoin-Wertes und 85 % der tokenisierten Real-World-Assets ab. Wenn die Größe der Sicherheit entscheidend ist, hat Ethereum eindeutig die Nase vorn.

Das Ethereum-Netzwerk verfügt über mehr als eine Million Validatoren und über 120 Milliarden Dollar an gestaktem Wert, was es zur sichersten Blockchain macht – für Institutionen, die Kontrahentenrisiken managen, ist das eine „knappe Ressource“. (getty)

Privatsphäre: Versprechen und Mathematik

Privatsphäre ist ein weiterer Schlüsselfaktor. Keine Bank würde Kundentransaktionen auf ein vollständig öffentliches Ledger stellen. Ist das auch der Grund, warum Projekte wie Canton, die von großen Finanzinstituten unterstützt werden, Aufmerksamkeit erhalten?

Ryans Antwort ist scharf: „Canton verlässt sich auf das Prinzip der Integrität – darauf, dass die Gegenpartei sensible Daten löscht. Das ist eine Schein-Privatsphäre. Mit Kryptografie kann man das Problem jedoch grundlegend lösen.“

Er bezieht sich auf Zero-Knowledge-Proofs (ZKP), ein kryptografisches Feld, das schon vor der Blockchain existierte, aber nun in großem Maßstab auf Ethereum angewendet wird. ZKP ist bereits das Rückgrat von „Rollups“, einer Technologie, die Tausende von Transaktionen komprimiert und auf Ethereum abwickelt. Die gleiche Technologie wird nun auf den Bereich Privatsphäre ausgeweitet: Sie ermöglicht selektive Offenlegung, sodass Regulierungsbehörden die Einhaltung überprüfen können, ohne alle Transaktionsdetails öffentlich zu machen.

„Man löst das Privatsphäre-Problem mit Mathematik“, ergänzt Ryan – ein Satz, der wie ein Leitprinzip dafür klingt, wie Ethereum institutionellen Anforderungen gerecht wird.

Institutionelle Finanzierung erfordert Vertraulichkeit. Die Zero-Knowledge-Tools von Ethereum sollen Privatsphäre durch Kryptografie und nicht durch Intermediäre gewährleisten. (getty)

Modularität: Institutionen kontrollieren ihre eigene Infrastruktur

Ich frage weiter nach der Architektur von Ethereum. Ist Ethereums Architektur im Vergleich zu Stripe und Circle, die jetzt versuchen, von Grund auf schlanke Blockchains zu bauen, nicht zu komplex?

Ryan widerspricht: Die scheinbar komplexe Architektur ist tatsächlich ein Vorteil. „Institutionen mögen das L2-Modell“, erklärt er. „Es erlaubt ihnen, ihre Infrastruktur anzupassen und gleichzeitig die Sicherheit, Neutralität und Liquidität von Ethereum zu erben. Sie können ihre eigene Infrastruktur kontrollieren und dennoch von globalen Netzwerkeffekten profitieren.“

Er verweist auf das Base-Netzwerk von Coinbase als Proof of Concept. Base wurde auf Ethereums L2 aufgebaut und generierte im ersten Jahr fast 100 Millionen Dollar an sequenziellen Einnahmen – ein Beweis für wirtschaftliche Tragfähigkeit und institutionelle Skalierbarkeit.

Für Ryan ist Modularität kein technisches Detail, sondern ein Bauplan dafür, wie Institutionen ihre eigene Blockchain-Infrastruktur aufbauen können, ohne die Vorteile eines gemeinsamen Netzwerks zu verlieren.

Ethereums Skalierungsstrategie kombiniert Rollups mit Data Availability Sampling – dieser Weg soll über 100.000 TPS erreichen, ohne die Sicherheit zu gefährden. (getty)

Neutralität und Durchsatz

Und was ist mit der Geschwindigkeit? Solana und andere Konkurrenten behaupten, Tausende von Transaktionen pro Sekunde zu verarbeiten. Ist das angesichts des begrenzten Durchsatzes von Ethereum nicht praktischer für die globale Finanzwelt?

Ryan definiert die Frage neu: „Wenn Finanzinstitute über Blockchains nachdenken, fragen sie nicht nur: ‚Wie schnell ist das?‘ Sie fragen auch: Kann das System korrekt ausführen und online bleiben, wem muss ich vertrauen? Auf Ethereum lautet die Antwort: Niemandem.“

Das ist es, was er als „vertrauenswürdige Neutralität“ bezeichnet – die Garantie, dass das Protokoll keine Insider bevorzugt. Seit 2015 hatte Ethereum keinen einzigen Tag Ausfallzeit – ein Rekord, der im Finanzsystem Anerkennung verdient.

Was die Skalierbarkeit betrifft, verweist Ryan auf die Roadmap von Vitalik Buterin, Mitbegründer und Chefarchitekt von Ethereum. Er betont, dass die Kapazität durch die Aggregation zahlreicher L2s auf Ethereum entsteht, nicht durch eine einzelne Kette. Schon heute bedeutet das, dass das gesamte System Zehntausende Transaktionen pro Sekunde verarbeiten kann – und mit kommenden Upgrades wie Data Availability Sampling, so Ryan, könnte der Gesamtdurchsatz in wenigen Jahren 100.000 TPS überschreiten. „Skalierbarkeit ist da – und das ohne Vertrauensverlust“, sagt er.

Mit der Modernisierung der Wall-Street-Finanzkanäle stellt sich die eigentliche Frage: Welche Blockchain kann die institutionellen Anforderungen an Skalierbarkeit, Sicherheit und Privatsphäre erfüllen? (SOPA Images/LightRocket via Getty Images)

Das größere Bild

Ryan behauptet nicht, dass Ethereum perfekt ist. Sein Standpunkt ist, dass nur Ethereum die Kombination von Sicherheit, Privatsphäre, Modularität und Neutralität bietet, die Institutionen wirklich wichtig ist.

Stripe, Circle und andere Unternehmen mögen versuchen, ihre eigenen Blockchains zu bauen. Doch Ryan betont, dass sie letztlich einer harten Realität ins Auge sehen müssen: „Die meisten Unternehmen müssen sich wieder mit Ethereum verbinden. Denn Sicherheit ist nicht kostenlos – sie ist eine knappe Ressource.“

Für Wall Street könnte dies ein Wendepunkt sein: Baut man auf den Inseln proprietärer Systeme oder schließt man sich einem neutralen globalen Netzwerk an, das seine Widerstandsfähigkeit seit einem Jahrzehnt bewiesen hat? Die Basisschicht von Ethereum ist vielleicht nicht die schnellste Blockchain, aber für Wall Street könnte sie die sicherste Wahl sein – eine Architektur, die sich schnell weiterentwickelt und Privatsphäre durch Mathematik statt durch Versprechen garantiert, die von Institutionen gebrochen werden könnten.